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Geschichten zu Fauna und Flora

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Lustige Gesellen

Text & Bilder: Jürg Sommerhalder

Die Käfer stellen mit 400’000 Arten die weitaus grösste Ordnung des Tierreichs. Besonders eindrücklich lässt sich diese Vielfalt demonstrieren, wenn wir die Sechsbeiner unserer eigenen Ordnung gegenüberstellen: Nur etwas mehr als 400 Arten werden den Primaten weltweit zugeordnet.

Heimliche Herrscher der Erde
Jede vierte bekannte Lebensform der Erde ist ein Käfer. So ist es nicht verwunderlich, dass die Käfer auf der Erde eine gewichtige Rolle spielen. Dies ergibt sich schon aus ihrer Masse: Hochrechnungen zufolge übertrifft die weltweite Biomasse der Käfer diejenige der Menschen. Als Bestäuber, Abdecker, Räuber, Pflanzenfresser, Schädlingsbekämpfer, Resteverwerter, Parasiten, Dung-Entsorger, Komposter und Nahrungsquelle erfüllen sie vielfältigste Aufgaben im Zusammenspiel des Netzwerks Natur.

Mehr als schiere Masse
Angesichts ihrer Artenvielfalt liegt es nahe, dass sich die Käfer jede erdenkliche und auch manche unvorstellbare Überlebensstrategie ausgetüftelt und Körperbaupläne in schwer überschaubarer Vielfalt entwickelt haben. Egal welche Fertigkeit oder Eigenschaft man sich einfallen lässt, immer findet man ein Käferart, die sie sich angeeignet hat. Einige bezeichnende Käfernamen sollen einen Eindruck davon geben, wodurch ihre Träger sich auszeichnen: Bombardier-Käfer, Leuchtkäfer, Goliathkäfer, Nashornkäfer, Rüsselkäfer, Pillendreher, Raubkäfer, Giraffenkäfer, Totengräber, Schwimmkäfer, Mordkäfer sind nur einige wenige, illustre Namen. Wer sich mit Käfern beschäftigt kommt schlechterdings aus dem Staunen nicht heraus. Auch nach Jahren ihres Studiums nicht.

Angeklagt
Den meisten Menschen behagen die sechsbeinigen Erdmitbewohner nicht. Einerseits lösen sie bei uns oft Ekel oder gar Phobien aus, andererseits sehen wir sie, wie viele andere Tiere, gerne als Konkurrenten. Gerade unter den Käfern haben sich immer schon einzelne Arten als sogenannte Schädlinge hervorgetan. Im Mittelalter wurden sogar Prozesse angestrengt. So etwa klagte man 1478 in Bern im Rahmen eines öffentlichen Prozesses die Engerlinge des Maikäfers an. Ihr massenhaftes Auftreten verursachte Schädigungen an Ernten, was als teuflischer Versuch gewertet wurde, den Menschen zu schaden.

Der alte und neue Sympathikus
Doch der Käfer hat auch etwas geschafft, das nur selten einem Insekt gelingt: Er ist zum  Sympathieträger geworden. Schon die alten Ägypter huldigtem dem Skarabäus als Erneuerer und gaben ihn toten Pharaonen mit ins Grab, und in Europa brachte man den Hirschkäfer mit Feuer und Donnergott Thor in Verbindung.

Aber auch unsere moderne Gesellschaft findet gelegentlich Gefallen an den sympathischen Gesellen: Der Marienkäfer etwa ist stets überall gerne gesehen und gilt als Glücksbringer, der Maikäfer ist der Liebling der Kinder und dient gewitzten Schokoladenherstellern als süsse Vorlage, und Käferchen ist immerhin einer der beliebteren Kosename unter Liebenden.

Wenngleich die Verarbeitung von Tierleichen zu Kunst zumindest fragwürdig ist und hier nicht grundsätzlich gerechtfertigt werden soll: Die Decke des Spiegelsaals im Palais Royale in Brüssel hat der Belgier Jan Fabre mit einem Mosaik bestehend aus Millionen von Deckflügeln von Skarabäus- und Prachtkäfern ausgestaltet. Spätestens wer dieses unfassbare Funkeln und Glitzern mit eigenen Augen gesehen hat, muss seine Einstellung gegenüber Käfern neu definieren.

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