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Geschichten zu Fauna und Flora

FaunaInsekten

Superheld im Käferkostüm

Text & Foto: Dr. Frank Wieland

Rund 1,8 Millionen Lebewesen hat der Mensch bisher wissenschaftlich erfasst. Etwa 300 000 davon beanspruchen die Käfer, die damit den mit Abstand größten Anteil der Biodiversität ausmachen. Angesichts dieser Vielfalt ist es nicht verwunderlich, dass die Käfer sich ihrer Umwelt in jeder denkbaren Weise angepasst haben. So gibt es grabende Arten, deren Beine schaufelartig umgebaut sind oder wasserlebende Arten, die ihren aquadynamisch glatten und flachen Körper mit ihren Schwimmbeinen U-Boot-artig durch unsere Seen bewegen. Die Liste solcher Spezialanpassungen liesse sich beliebig fortsetzen.

Eine Gattung innerhalb der Käfer sticht durch ihr Arsenal an Spezialanpassungen heraus und würde manchen Superhelden vor Neid erblassen lassen: Die Gattung Stenus. Zur riesigen Familie der Kurzflügelkäfer gehörend, lebt Stenus in den Uferzonen von Gewässern. Dort sucht der schwarze oder schwarzblaue Käfer mit seinen großen, vorstehenden Augen bei warmem Wetter in beachtlicher Anzahl nach Beute. Trotz seiner geringen Größe von 3-6 mm ist Stenus ein furchterregender Räuber. Bei der Jagd hilft ihm eine Spezialanpassung, die von Käfern ansonsten unbekannt ist. Ganz ähnlich wie Libellenlarven oder Chamäleons hat die Evolution bei Stenus die Mundwerkzeuge zu einer langen Schleuderzunge umgeformt, die durch Überdruck hydraulisch herausgescheudert werden kann. Nachdem sie die Beute ergriffen hat, wird die Zunge wieder eingezogen und die Beute gefressen. Der ganze Vorgang läuft so schnell ab, dass er mit blossem Auge nicht wahrnehmenbar ist!

Aber nicht nur beim Beutefang ist Stenus ein kleiner Superheld – auch auf der Wasseroberfläche leistet er Grossartiges. Gerät der kleine Käfer aufs Wasser, sondert er mittels einer kleinen Drüse am Hinterleibsende ein Tröpfchen einer Flüssigkeit ab, welche die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzt. Das Tröpfchen breitet sich beim Kontakt mit dem Wasser schlagartig aus und schiebt den Käfer einem Jetski gleich über das Wasser. Dabei schießt Stenus mit über 70cm pro Sekunde dahin. Das klingt zunächst nicht sehr beeindruckend, berücksichtigt man jedoch, dass diese Strecke etwa dem 150-fachen der Käfergrösse entspricht, dann käme ein 170 cm großer Menschen auf 225 Meter pro Sekunde und damit auf eine Gesschwindigkeit von 900 km/h! Selbst für einen Superhelden wäre dies eine beachtliche Leistung.

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