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Geschichten zu Fauna und Flora

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Frösche: Vielseitige Brutspezialisten

 Text und Fotos: Jürg Sommerhalder

Erfolgreicher als Dinosaurier
Die Entwicklung der Froschlurche dauert seit mindestens 250 Millionen Jahren an, denn mit diesem Wert wird des ältesten bekannten Frosch-Fossil beziffert. Zahlreiche Tiergruppen dieser Ära haben den Kampf gegen die wechselhaften Umweltbedingungen auf der Erde verloren und sind seit Jahrmillionen ausgestorben. Die prominentesten Vertreter dafür stellen sicherlich die Dinosaurier.
Die viel erfolgreicheren Frösche aber haben bis heute stets einen Weg gefunden, sich gegen die Folgen von Eiszeiten, Hitzeperioden, Meteoriten-Einschlägen, Mega-Vulkanausbrüchen, das Auseinanderbrechen von Kontinentalplatten und die Entstehung neuer Feinde durchzusetzen. Während dieser langen Entwicklungszeit haben sie eine grossartige Vielfalt an Farbe, Form, Funktion und Verhalten entwickelt.
Besonders eindrücklich schlägt sich diese Vielfalt in der Brutbiologie der modernen Frösche nieder: Sie beherrschen die meisten bekannten Fortpflanzungs-Trick des gesamten restlichen Tierreichs.


Pragmatisch: Der Wasserlaicher
Viele Frösche machen es sich leicht. Sie deponieren ihre Eigelege in Form von Laichballen oder –schnüren direkt im Gewässer. Von den Eltern ihrem Schicksal überlassen schlüpfen die Kaulquappen und wachsen selbständig auf. Die Gelege der meisten Wasserlaicher zählen Hunderte oder Tausende von Eiern. Viele der Eier fallen Wettereinflüssen und Fressfeinden zum Opfer, ebenso die meisten der Larven, die aus den verbleibenden Eiern schlüpfen. Aber das Konzept geht auf, denn für eine stabile Population müssen nur einige wenige Tiere pro Elternpaar überleben. Sie kompensieren über die schiere Menge an Eiern ihre fehlende Brutfürsorge. Fast alle einheimischen Frösche – so etwa Grasfrosch, Erdkröte und Laubfrosch – sind Wasserlaicher.

Europäischer Laubfrosch, Hyla arborea, Laich, Schweiz (Foto: Jürg Sommerhalder)
Eier des bei uns heimischen Europäischen Laubfrosches (Hyla arborea), eines typischen Wasser-Laichers (Foto: Jürg Sommerhalder)

Wasserscheu: Der Landlaicher
Zahlreiche Froscharten haben Strategien entwickelt, um sich keine nassen Füsse zu holen: Sie deponieren Ihre Eier nicht im Wasser selbst, sondern an Land. Die einen kleben ihren Laich an Laubblätter, Äste oder Baustämme direkt über dem Gewässer. Einige Arten schützen die Eier zusätzlich, indem sie die Gelege in Laublätter einrollen, oder sie in einem eigens dafür angefertigten Schaumnest verstecken. Sobald die fertig entwickelten Kaulquappen sich aus ihren Eiern winden, fallen sie in ihr Geburtsgewässer, wo sie wie ihre Verwandten aus der Wasserlaicher-Gruppe ihrem Schicksal überlassen bleiben.
Andere Vertreter der Landlaicher gehen einen Schritt weiter: Die an Land abgelegten Eier werden – meist vom Männchen – bewacht und versorgt. Sobald die Kaulquappen geschlüpft sind lässt der Vater sie auf seinen Rücken kriechen und trägt sie zum Gewässer, in welchem sie ihre Larvenzeit verbringen werden.

Dendrophsophus brevifrons Gelege
Gelege des kleinen Laubfroschs Denrodpsophus brevifrons, deponiert direkt über der Wasseransammlug, die später die Kinderstube der geschlüpften Kaulquappen sein wird. (Fotos: Jürg Sommerhalder)

Mit diesen Tricks verhindern die Elterntiere der Landlaicher immerhin den Zugriff zahlreicher aquatischer Fressfeinde, die sich an den Eiern laben würden. Zwar hat die Evolution zurückgeschlagen und Landtiere wie Schlangen, Wespen und parasitische Fliegen hervorgebracht, welche Froscheier an Land aufzuspüren vermögen. Doch auch damit wurden die Frösche fertig. Ihre Larven entwickelten Strategien, um solchen Fressfeinden auszuweichen. So etwa vermögen die Kaulquappen des Rotaugenlaubfrosches ihre Eihülle im Falle eines Angriffs vorzeitig zu sprengen, um ins darunterliegende Wasser zu entkommen. Mir dieser Reaktion kontern diese Frösche sogar passive Angriffe wie etwa Pilz-Befall.

Denrodpsophus brevifrons
Der kleine lateinamerikansiche Laubfrosch Denrodpsophus brevifrons deponiert seinen Ei-Gelege auf Laubblättern direkt über der Wasseransammlug, die später die Kinder-Stube der geschlüpften Kaulquappen sein wird. (Foto: Jürg Sommerhalder)

Das Konzept der Landlaicher scheint aufzugehen, denn es hat sich in unterschiedlichsten Frosch-Verwandtschaften auf fast allen Kontinenten entwickelt und gehalten.

Kontrollfreak: Der Huckepack-Brüter
Kontrolle ist besser: Das Mittragen der Eier bis zur Schlupfreife hat sich bei Fröschen in manigfaltiger Form etabliert. Die Männchen der einheimischen Geburtshelferkröte wickeln sich die Laichschnüre um die Hinterbeine und tragen sie solange mit sich herum, bis es Zeit wird, die schlüpfenden Larven im Wasser abzusetzen. Ähnliches tun die Wabenkröten sowie die Beutel- und die Schüsselrückenlaubfrösche, die ihre Eier offen auf dem Rücken oder in rückenseitigen Taschen mit sich herumtragen. Oftmals geht diese Strategie noch einen Schritt weiter: Die aus den Eiern geschlüpften Larven werden bis zu ihrer Metamorphose zum Jungfrosch weiter mitgetragen, oder als weit entwickelte Kaulquappen im Wasser abgesetzt, wo sie sofort mit der Umwandlung zum Frosch beginnen. Die gefahrvolle Zeit im Wasser wird so ausgeschaltet oder auf ein Minimum verkürzt.

Füsorglich: Der Bromelien- oder Höhlenlaicher
Einige weitere Froscharten haben sich eine noch spezifischere Brutpflege ausgedacht. Die Erdbeerfrösche und ihre Verwandten produzieren Kleinstgelege, aus denen maximal ein halbes Dutzend Larven hervorgehen. Die Weibchen versorgen zuerst ihre Gelege, indem sie diese bis zum Schlupf der Larven bewachen und regelmässig benetzen. Wenn die Kaulquappen geboren sind klettern sie auf den Rücken ihrer Mutter, die sie einzeln in Mikrogewässern wie den wassergefüllten Blattachseln von Bromelien absetzt. Dabei merken sie sich die Verstecke der Larven und besuchen sie in regelmässigen Abständen, um sie mir unbefruchteten Nähreiern zu verköstigen.

Manaus-Laubfrosch (Osteocephalus taurinus)
Der Manaus-Laubfrosch (Osteocephalus taurinus) ist ein lateinamerikanischer Baumhöhlen-Brüter (Foto: Jürg Sommerhalder)

Ähnliches tut eine Gruppe höhlenbrütender Laubfrösche, die ihre Eier in wassergefüllten hohlen Baumstämmen ablegt. Auch sie kehren regelmässig zu diesen Höhlen zurück, um ihre Nachkommen mit Futtereiern zu ernähren.

Sicherheitsfanatiker: Direktentwickler, Lebendgebärende, Maulbrüter
Zahlreiche Froscharten sind dazu übergangen, das gefährliche Larvenstadium im Wasser komplett zu umgehen. Sie deponieren ihre Eier in stark feuchter Umgebung an Land, zum Beispiel auf nassem Moos, am feuchten Urwaldboden im Falllaub  oder unter Steinen. Die Larven absolvieren ihre komplette Larven-Entwicklung im Ei und schlüpfen als winzige, fixfertige Fröschchen. Die meisten Elterntiere kümmern sich nach der Eiablage nicht weiter im ihren Nachwuchs, einige aber haben sich darauf verlegt, sich ähnlich wie Hennen auf ihre Eier zu setzen, bis die Jungen aus den Eiern schlüpfen. Dadurch schützen sie ihre Eier vor Austrocknung und parasitischen Insekten.

Dem Darwin-Frosch ist das alles noch viel zu unsicher. Das Männchen bewacht an Land abgelegte Eier bis kurz vor dem Schlupf der Kaulquappen. Dann „verschluckt“ er sie kurzerhand. Die geschlüpften Larven verbringen ihre gesamte Larvenzeit im Kehlsack ihres Vaters und werden von ihm erst als fertige kleine Frösche wieder ausgespuckt.

Bei einigen afrikanischen Kröten findet die Ei-Befruchtung, ähnlich wie bei den Säugern, im Körperinneren der Mutter statt. Die Eier entwickeln sich im Uterus der Mutter, wo die Larven auch ihre vollständige Metamorphose absolvieren, um als fertig Frösche geboren zu werden.

Diese Auflistung an Brutpflege-Strategien von Fröschen ist nicht abschliessend. Von den genannten Methoden gibt es zahlreiche Variationen, und zwischen ihnen diverse Übergangsstadien. Und die Wissenschaft entdeckt fast täglich weitere neue Details über die faszinierende und vielfältige  Welt der Frösche.

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