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Geschichten zu Fauna und Flora

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Tagfalter im Lebensraum Wald

Text und Fotos: Jürg Sommerhalder

Beinahe 4000 Schmetterlingsarten leben in der Schweiz. Sie haben sich jeden Lebensraum unseres Landes erschlossen, besetzen sämtliche ökologischen Nischen und wenden so unterschiedlichste Überlebens-Strategien an, dass in unserem Land in jedem einzelnen Monat des Jahres sowohl Eier, als auch Raupen, Puppen und Schmetterlinge angetroffen werden können. Viele Arten verdanken ihren Erfolg einem Dasein als Generalisten, sind kaum an spezifische Lebensräume oder Futterquellen gebunden. Andere haben sich hoch spezialisiert, bevölkern nur ganz bestimmte Lebensräume oder sind auf eine einzige Futterpflanze angewiesen. Vor allem unter diesen Spezialisten finden sich heute zahlreiche Arten, deren Fortbestand – meist aufgrund schwindender Lebensräume – bedroht ist.

Nur etwa 200 dieser vielen Schmetterlings-Arten sind tagaktiv. Man fasst sie unter dem Sammelbegriff Tagfalter zusammen.

Der Wald als Lebensraum
Zu den artenreichsten Lebensräumen überhaupt(, nicht nur in Bezug auf Schmetterlinge,) zählt der Wald. Und obschon Tagfalter besonders wärme- und sonnenhungrige Tiere sind, besiedeln sie auch das Waldesinnere. Insbesondere mögen sie offene, gebüschreiche Mischwälder, in die Sonnenschein einzudringen vermag, und der von Lichtungen, Schneisen und Waldrändern durchsetzt ist. In so vielfältig strukturierten Lebensräumen finden Schmetterlinge nicht nur ausreichend Nahrung in Form von Pflanzensäften, Nektar, Exkrementen, Honigtau (Blattlausausscheidungen), sondern auch geeignete Eiablage-Plätze und damit Lebensraum für ihre Nachkommen. Deren Bedürfnisse können nämlich stark von denjenigen ihrer Eltern abweichen. Nicht selten verlangen die Raupen nach ganz anderen Lebensräumen als die Schmetterlinge selbst, und manchmal steht auf ihrem Speiseplan nur eine einzige Futterpflanze.

Der Kleine Schillerfalter (Apatura ilia)
Die ausgewachsene Raupe des kleinen Schillerfalters (Apatura ilia) spinnt sich fest. (Foto: Jürg Sommerhalder)

Die Schillerfalter
Zu den typischen Waldarten unter den Tagfaltern gehören der Grosse und der Kleine Schillerfalter. Diese grossen, blauschillernden Schmetterlinge mögen lichte Wälder, Lichtungen mit Salweide (wichtigste Wirtspflanze der Raupe des Grossen Schillerfalters Apatura iris) und Zitterpappel (wichtigste Wirtspflanze der Raupe des Kleinen Schillerfalters Apatura ilia). Die Falter fressen mit Vorliebe an Aas, Kot und Schweiss, Weibchen auch an gärenden Früchten und Honigtau. Die beiden genannten Laubbäume gilt es im Interesse der Schmetterlinge zu erhalten. Dabei muss keineswegs auf die Säuberung von Waldlichtungen verzichtet werden, jedoch könnte beispielsweise zeitverschobenes Roden von je 50 Prozent im Abstand von zwei Jahren eine Lichtung als Lebensraum erhalten.

Der Blaue Eichenzipfelfalter
Der zu den Bläulingen zählenden Blaue Eichenzipfelfalter (Neozephyrus quercus) ist ein Baumkronenbewohner. Er lebt in eichenhaltigen Wäldern und ernährt sich vorwiegend von Honigtau. Man kommt ihn meist nur zu Gesicht, wenn er gelegentlich an Disteln und Doldenblütlern in Bodennähe Nektar trinkt. Seine Eier legt das Weibchen in den Baumkronen an Blütenknospen ab, wo sie den Winter überdauern. Die im Frühling schlüpfenden Raupen ernähren sich vorwiegend von Eichenblüten.

Der Kleine Eisvogel
Während der Falter eine sehr ähnliche Lebensweise pflegt wie die beiden Schillerfalter-Arten, bevorzugt seine Raupe Standorte im Waldinneren. Sie frisst vor allem an Geissblatt-Gewächsen (Lonicera), die auf feuchtem Boden stehen.  Die Raupe überwintert in einem eingerollten, welken Blatt und verpuppt sich erst im Frühling.

Moderne Waldförderung
Weitere Arten wie der Kaisermantel (Argynnis paphia, legt die Eier an den Stämmen von Nadelhölzern ab, die Larven fressen mit Vorliebe das Laub von Feilchenarten), der Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni, die Raupe frisst an Faulbaum), das Landkärtchen (liebt magere blumenreiche Waldlichtungen, und fliegt in jeweils zwei Generationen mit unterschiedlicher Färbung) bevökern unser Wälder und benötogen intalen Wald-Lebensraum. Die moderne Forstwirtschaft tendiert zur Schaffung neuer, lichter Wälder im Stile des vorletzten Jahrhunderts. Je lichtdurchlässiger der Wald desto abwechslunsgreicher wird seine Vegetation, und umso mehr Arten aus allen möglichen Bereichen der Fauna finden Lebensraum.

Gezielte Massnahmen, die zur Förderung der Artenvielfalt im Lebensraum Wald beitragen, sind unter anderem diese:

  • Regelmässige Ausbuschung unter Berücksichtigung der Aktivitäszeiten von Tier und Pflanze: Schmetterlings- und Vogelbrutzeiten, Pflanzenblüte. Rodung/Entbuschung staffeln und erst nach Blütenbefruchtung.
  • Förderung von Kleinstrukturen wie Ast- und Steinhaufen, Totholz, vegetationsfreie Flächen, Brennesselfeldern, Feuchtstellen, usw.
  • Gezielte Förderung von Pionierbäumen und Sträuchern wie Birken, Weiden und Pappeln
  • Gezielte Förderung und Pflege von „Seitenlichtspezialisten“ an Waldrand und auf Lichtungen: Schneeball, Pfaffenhütchen, Hartriegel, Hasel, Holunder, Schwarzdorn, Liguster, Hartriegel.
  • Fokussierung auf Naturverjüngung anstelle von Letztere dienen nur der Wiedereinführung verschwundener oder seltener Gewächse.
  • Erhaltung von „Biotopbäumen“, also Höhlen-, Horst- und Ansitzbäumen.
  • Forstwirtschaftliche Förderung und Schutz (Wildfrass) seltener Bäume und Sträucher
  • Liegenlassen von Strauch- und Grasschnitt zur Erhaltung von an der Vegetation überwinternder Raupen und Puppen.
  • Vermeidung der Umnutzung des Waldes zu Müll- und Grün-Deponien sowie landwirschaftlichen Ausweichzonen

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